Vor einiger Zeit habe ich über Zementfliesen in einer Backsteinvilla aus den 30er Jahren berichtet und wie sich ein Ehepaar aus Kamp-Lintfort am Niederrhein in ein historisches Fliesenmuster verliebte. Nun, da mir weitere Informationen vorliegen, möchte ich diese mit Ihnen, liebe Leser*innen teilen.
Dieses Bild inspirierte das Ehepaar bei der Auswahl.
Hierbei handelt es sich um den Eingang eines historischen Hauses in Nettetal, ebenfalls am Niederrhein gelegen. Ein kleiner Bereich mit historischen Fliesen war noch vorhanden und der Besitzer beschloss, dieses Muster bei MOSÁICO wieder aufleben zu lassen. In Anlehnung an die originale Größe von 14,2 cm x 14,2 cm entschied er sich für die Maße von 15 cm x 15 cm. Das Muster wird bei MOSÁICO mit der Nummer 252 geführt, die Bordüre als Nummer 484 und hat die Farben Mahagoni (M14), Bordeaux (M13), Creme (M03), Zimt (M35), Senf (M06), Himmelblau (M20) und Hellblau (M21). Dazu wurde eine unifarbene Umrandung in Mahagoni (M14) gewählt.
Schon dieses für heutige Verhältnisse ungewöhnliche Format weist darauf hin, dass es sich bei den Originalen um Steinzeugplatten handelt. Diese Art des Bodenbelags wurde ca. 70 Jahre lang ab der Mitte des XIX. Jahrhunderts gefertigt und wurde in Deutschland vor allem unter dem Namen “Mettlacher Platten” bekannt. Die Firma Villeroy & Boch “erfand” das Verfahren zur Herstellung gemusterter Steinzeugplatten in 1852 und gründete 1869 eine eigene Fabrik nur zur Fabrikation von solchen Bodenfliesen in Mettlach im Saarland. Weitere Firmen, die solche Steinzeugplatten herstellten, gab es in England, Frankreich und Belgien.
Ähnlich wie bei der Produktion von Zementfliesen wurden die Fliesen hergestellt, indem man in einen Rahmen eine Metallschablone mit unterschiedlichen Abteilungen einlegte. Die einzelnen Abteilungen wurden mit verschieden gefärbter Masse gefüllt. Anstatt von flüssigem Zement wurde eingefärbtes Tonpulver verwandt. Genau wie bei Zementfliesen und im Gegensatz zu glasierten Keramikfliesen ist die gefärbte Schicht einige Millimeter dick und daher behält die Fliese auch bei dauernder Trittbelastung ihre Farbigkeit. Pro Farbe gab es zusätzlich eine Abdeckschablone, die alle andersfarbigen Bereiche bedeckte. Waren die Farben eingefüllt, wurde die Schablone herausgenommen und die Form mit ungefärbtem Ton aufgefüllt. Das leicht feuchte Tonpulver klumpte zusammen und konnte dann unter großem Druck zusammengepresst werden. Die so entstandenen Platten wurden nun bei ca. 1300° C für 190 Stunden gebrannt, wodurch sie härter und stabiler als Granit wurden. Durch das Brennen wurden die Stücke etwas kleiner, vielleicht kommen daher die seltsamen Formate zustande. Auch der maximalen Größe waren Grenzen gesetzt, denn größere Tonplatten konnten sich beim Brand leicht verziehen oder sogar reißen.
Während die Firma Villeroy & Boch quadratische Platten mit einer Seitenlänge von 16,8 cm herstellte, ist die Größe von 14,2 cm unter anderem typisch für Fliesen der Ransbacher Mosaik- und Plattenfabrik im Westerwald. Meine Vermutung, dass die Platten aus dem Haus in Nettetal von diesem Hersteller stammen, konnte ich mittlerweile bestätigen. Der Besitzer hat bei der Renovierung einige einzelne Platten gefunden, die als Füllstoff unter einer Fensterbank eingesetzt waren und so dem Schuttcontainer während der Modernisierung der 70er Jahre entgingen. Sie tragen auf der Rückseite den eingeprägten Firmenstempel, ein R umgeben von vier Sternen. Das vermutete Erbauungsjahr des Hauses, um 1895, fällt in die ersten Jahre der Firma.
Die Ransbacher Mosaik- und Plattenfabrik wurde auf Betreiben des Luxemburgers Paul Simons gegründet. Paul Simons hatte in Paris Ingenieurwesen studiert und arbeitete zuerst bei Villeroy & Boch in Mettlach, dann war er erster Direktor der Fliesenfabrik Boch Frères in Louvroil in Nordfrankreich. 1868 gründete er eine eigene Fliesenmanufaktur in Le Cateau, ebenfalls in Nordfrankreich an der Grenze zu Belgien gelegen. Schon von Anfang an wurden zusätzlich zu den vor Ort abgebauten Tonen auch Tone aus dem Westerwald importiert. Hierzu hatte Simons seit 1876 Gelände in Ransbach aufgekauft, auf dem Schuppen zum Trocknen verschiedener Tone errichtet wurden. Um die Kosten zu senken war es naheliegend auch im Westerwald eine Fliesenmanufaktur zu errichten. 1881 war in der lokalen Zeitung zu lesen, dass ein Tonhändler im Namen eines französischen Unternehmens Gelände für die Errichtung einer Mosaikplattenfabrik aufgekauft hatte. Im Jahr 1892 verstarb Paul Simons plötzlich mit nur 56 Jahren, seine Anteile übernahmen seine Witwe Nelly Autier, sein Bruder Félix und ein weiterer Luxemburger Ingenieur, Gustav Nimax. Die Ransbacher Mosaik- und Plattenfabrik wurde schließlich 1893 gegenüber vom Bahnhof der 1884 eröffneten Strecke errichtet und beschäftigte anfangs schon ca. 200 Arbeiter, die zum Teil mit Arbeiterzügen aus der Umgebung anreisten. Die Produktion von Mosaikplatten mit eingelegtem Muster hatte ihren Höhepunkt in den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Danach wurden im Art Deco und der Neuen Sachlichkeit einfache geometrische Muster und einfarbige, sowie “geflammte” (mit Schlieren) und “porphyrierte” (mit Sprenkeln) Fliesen bevorzugt. Die Fabrik produzierte bis in die 1980er Jahre Keramikplatten verschiedener Formate sowie Gebrauchskeramik.
Um die Wende zum XX. Jahrhundert orientierten sich die Muster der Mosaikplattenfabrik an dem damaligen Zeitgeist, dem Historismus, der mit einer Rückbesinnung auf antike und mittelalterliche Vorbilder das Repräsentationsbedürfnis des Bürgertums erfüllte. Aber auch moderne Strömungen wie der Jugendstil wurden in Fliesenmuster umgesetzt. Wichtige Impulse lieferten auch die Weltausstellungen, die z.B. in Wien (1873), Philadelphia (1876), Paris (1867, 1878, 1889, 1900) und Chicago (1893) stattfanden, sowie nationale und internationale Wettbewerbe, bei denen namhafte Künstler Entwürfe einreichten. So hat der Belgische Designer Henry van de Velde eine 13-teilige Fliesenserie für die Ransbacher Fabrik entworfen.
Häufig wurden gerade im Eingangsbereich, wo es jeder sehen konnte, besonders prächtige Fliesenmuster verlegt, so auch in dem Haus in Nettetal.
Dieses Fliesenmuster eignet sich daher nicht nur für den Eingang, sondern es macht auch einen guten Eindruck als stilvoller und feuerfester “Teppich” für den Kamin im Wohnzimmer. Die warmen Farben reflektieren die Wärme des Feuers und harmonieren gleichzeitig mit dem Dielenboden des Wohnzimmers, so dass sie nun schon seit über zehn Jahren zu gemütlichen Feierabendstunden einladen.